BARBARA LAH
  • über mich.
    • Leserstimmen. BEN.
    • Leserstimmen. MORD.
  • Leseproben.
    • BEN.
    • Von Mord alleine stirbt man nicht.
    • EMILIA.
  • Blog.
  • Kontakt.
    • Datenschutzerklärung
    • Impressum
Picture

Von Mord alleine stirbt man nicht

Picture
bestelle jetzt 
noch 20 Exemplare auf Lager
Kostenloses EPUB
Kostenloses Mobi

1. Teil

29. November 2020

Es ist noch dunkel, nicht mal 8 Uhr morgens und es regnet. Mit beiden Füßen steht Jakob bereits in einer Pfütze. Heute würden nicht mal die tapfersten Touristen zum Mauerparkflohmarkt pilgern und von Weihnachtsstimmung keine Spur. 
Einzig der Geruch von Glühwein weht bereits seit September wie das Nervengift von Gotham City zu seinem Bücherstand herüber und verwandelt harmlose Besucher in willenlose Zombies, die 20 Euro rüberschieben, um einen fair gehandelten Bio-Glühwein zu erstehen, der im Tageslicht ein lauwarmer, ungesüßter Früchtetee ist, in dem fünf Nelken ertrinken. Dann legst du weitere fünf Euro drauf, für »mit Schuss«, damit du das Zeug überhaupt runterwürgen kannst und stellst fest, dass die selbstgestrickte Öko-Tussi dir nicht den Schnaps reinkippt, sondern Bienenhonig aus der eigenen Imkerei vom Balkon.
Noch vier Sonntage bis Weihnachten und bei 15 Grad in Berlin würde der Weihnachtsbaum bald zu blühen anfangen. 
»Mein Beileid.« 
»Hmm.« 
»Beileid.« 
»Ja.« 
»Herzliches Beileid, Jakob.« 
Schließlich schaut Jakob von seinen Büchern auf. 
»Mann, mein Beileid, Jakob, alte Nase. Wenn ick was für dich tun kann …«
Jetzt wird es Jakob zu viel. »Was soll‘n der Scheiß, Dicker? Ist das ´n Witz?« Er klatscht die letzten Weihnachtsschmöker auf den Verkaufstisch, sodass sein sorgfältig aufgetürmter Feel-Good-Roman-Turm gefährlich ins Wanken gerät. Das »Café am Rande von irgendwas« und der »Kaffee am Arsch der Welt«, lassen ihre Hintern bereits verdächtig weit nach unten sinken. 
Bernd, seit 5 Jahren treuer Standnachbar und Lieferant für Schweinebratenbrötchen, schlägt ihm solidarisch auf die Schulter. »Na det mit deiner Patti. Vor mir musst du nicht den Harten machen.« 
Jetzt kullern auch noch Harry Potter und seine verschrobenen Zauberfreunde vom Tisch und landen in der Pfütze, für die man Tiefseetaucher engagieren muss, um den Grund zu erkunden.
»Scheiße! Bernd, hilf mal. Jetzt hat dit 30 Jahre jedauert, bis die den Mauerpark endlich saniert haben, aber es jibt mehr Pfützen als zuvor. Bald hat Berlin nich nur mehr Brücken als Venedig, sondern och mehr Wasser und wir zwei machen ne Umschulung zum Gondoliere.«
Zusammen kriechen die Männer unter die Verkaufsfläche und fischen Bücher von unterbelichteten Zauberkindern und glitzernden Weihnachtsbestellern hervor, deren Namen sich höchstens in ihrem Grad an Dummheit übertreffen. »Zeiten des Sturms«, »Die ganze Scheiße mit der Zeit«, »Die Kinder der Zeit6«. Wie wäre es mal mit »Es ist Zeit, sich ´n richtigen Beruf zu suchen7« und nicht immer so ein Mist zu schreiben?
»Beileid«, brüllt es Jakob erneut von rechts entgegen. 
Als er versucht aufzustehen, um etwas zu erwidern, knallt er mit seinem Kopf gegen die Tischecke. »Aua! Verdammt! Was ist denn heut los?«
»Der Manni«, beginnt Bernd, »der Manni war gestern im Club und hat uns von dem Mord erzählt.« Seine Stimme wird bei dem Wort »Mord« ganz leise und er guckt sich nach beiden Seiten geheimnisvoll um, ob sich nicht doch jemand von der Stasi als peruanischer Panflötenspieler verkleidet hat. »Deine Patti …«
»Wat?«
»Das dene Patti …« Bernd legt die rechte Hand an seinen Hals und schneidet ihn imaginär durch. 
Jakob ist gerade dabei, den Weihnachtsturm der literarischen Grausamkeiten wieder aufzustapeln, da dreht er sich wie vom Donner gerührt zu seinem Freund um. »Hast du se noch alle? Patti is in Klesen-Görne. In Brandenburg!«
»Ne mein Freundchen … die is tot und Brandenburg is nett, aber der Himmel is dit nich.«
Das letzte Werk »So schön wie in Berlin kann‘s im Himmel gar nicht sein« lässt die Bücherburg ein zweites Mal zum Einsturz bringen. 
»Mein Beileid, Alter«, dröhnt es erneut. 
»Ach, haltet die Klappe da drüben«, ruft Jakob in die Richtung und hält drohend das Buch »Im Auge des Mörders9« in die Luft. »Mensch Bernd, der Manni hat euch nur verarscht. Patti macht Entspannungsurlaub. Der jeht’s super.«
Skeptisch mustert Bernd seinen Freund. »Dann is die jar nicht ermordet worden?«, fragt er sicherheitshalber nach.
​Jakob schüttelt grinsend den Kopf. »Die Patti bringt kener um. Wenn da sich jemand ran traut, frisst die den vorher uff.«
Die letzten Beileidsbekundungen verstummen gegen zwei Uhr. Jakob kommt gerade aus dem Auto zurück, einen Stapel neuer-gebrauchter Schinken unter die Achsel geklemmt, da sieht er vor seinem Stand zwei Polizisten stehen. Neben ihnen thront ein gigantischer Hund, der in die Pfütze sabbert. Nicht mehr lange und Jakob würde seine Bücher mit Schwimmringen vor dem Ertrinken retten müssen.
»Mein Stand is anjemeldet, meine Herren«, begrüßt er die Uniformierten und baut sich mit verschränkten Armen vor ihnen auf. 
»Herr Jakob Beusner?«
»Schuhgröße 46. Der bin ick.«
»Mein Beileid.« Der kleinere springt nach vorne und will ihm die Hand reichen. 
»Mensch Dieter!«, hält ihn der andere zurück. »Corona!«
Der Kleine reißt noch im Sprung den Ellbogen hoch, der anstelle der Handfläche seine Solidarität ausdrücken soll. Der rechte Haken trifft Jakob direkt in die Brust. 
»Scheiße, was soll dit denn werden? Polizeijewalt?«
Der kleine Polizist schnappt hechelnd nach Luft und streicht mehrmals entschuldigend über Jakobs Bauch.
»Lassen sie dit«, wehrt sich Jakob und stößt ihn unsanft weg. »Dit darf nur meene Frau.«
»Genau deshalb sind wir hier, Herr Beusner. Es tut uns sehr leid, was mit ihrer Frau passiert ist.« 
Beide senken ein wenig die Köpfe und setzten Gesichter auf, die wahrscheinlich betreten wirken sollen, aber so aussehen, als ob ihnen Kleingeld in die Unterhosen gerutscht ist. 
»Wir müssten sie kurz mit aufs Revier nehmen und ein paar Dinge klären.«
»Jetzt fangen Sie och noch an?«, japst Jakob. »Der Patti geht’s jut, die is in Brandenburg.«
»Was?«, fragt der Größere und zieht einen zerknüllten Zettel aus seiner Uniformjacke. »Aber hier steht: Patrizia Beusner. 53. Entführung. Möglicherweise ermordet. Sei einfühlsam. Erinnerst du dich ans letzte Mal? Das war nicht gut. Diesmal, wenn jemand vom Dach springen will, nicht rufen: Wenn Sie jetzt springen, gibt’s eine Anzeige und …«
»Ermordet?«, ruft Jakob dazwischen und zieht einem Touristen »Die Bücherdiebin« aus den Händen. »Glauben Sie mir, das ist nix für sie«, flüstert er und reicht ihm stattdessen »Der Junge, der Maulwurf, die Wurst und eine Lektüre, die du auch verstehen kannst«. Der Mann nickt einsichtig und bezahlt.
»Entführung«, antwortet der kleine Polizist und kämpft weiter mit dem riesigen Schäferhund, der ihn an der Leine hält. »Harald, sei brav. Mach Sitz.« Doch Haralds Interesse gilt gerade dem vorbeifahrenden Kinderwagen, der zwar keine Kinder transportiert, dafür aber eine kläffende Chihuahua-Töle mit Weihnachtsmütze und Glitzerkostüm. 
»Entführt oder tot? Entscheiden Sie sich mal, meine Herren. Aber ejal, meene Patti hat eh keiner geklaut. Die liegt in Klesen-Görne in der Badewanne.«
»Wo?«, fragen beide im Chor. 
»Klesen-Görne.«
»Anrufen!«
»Haben Sie mir nicht zujehört. Die is in Brandenburg. Da kann ich ihr vielleicht ´n Fax schicken, aber bis die dort Handynetz haben, ist die Patti wirklich tot.«
Die beiden Polizisten tuscheln nervös. Unterdessen kassiert Jakob 13 Euro von einem Spanier ab, der ein weihnachtliches Sushi-Buch »Originalrezepte aus Tokio« ersteht. 
»Wie auch immer, Sie müssen mit auf die Wache kommen, Herr Beusner.«
»Wie stellen Sie sich dit vor? Ick kann hier nich weg«, ruft Jakob und zeigt mit zwei ausgestreckten Armen auf sein Reich. Dabei verheddert sich sein Ärmel ausgerechnet nochmal an dem Harry-Potter Stapel, der daraufhin wieder zu fliegen beginnt, wie Harry und seine Freunde, nur eben sehr viel kürzer und direkt in die Pfütze. »Wer soll denn auf den Stand uffpassen?«
»Fragen Sie doch ihren Freund«, meint der Kleine und zeigt auf Bernd. 
»Dem jehört der Schweinebraten Dings-Bums Stand. Der hat keene Zeit, auch noch Mutti für meene Bücher zu spielen. Berliner klauen wie die Hunde, müssen se wissen.«
Alle Augen richten sich augenblicklich auf den Hund. Der blickt schuldbewusst drein und versucht sein Geschäft, dass er in diesem Moment auf Lord Voldemort verrichtet, zeitnah zu beenden.
»Harald kann aufpassen«, sagt er und zeigt auf den Schäferhund.
»Wa?«, ruft Jakob. »Was soll der Köter machen? Alle ufffressen, bevor einer ein Buch mitgehen lassen kann?«
Der zweite Polizist glotzt seinen Kollegen ebenfalls fragend an. 
»Wir binden ihn an und wenn jemand was stehlen will, dann bellt der Harald. Vielleicht beißt er auch. Das entscheidet er meist ganz spontan«, antwortet der Kleine.
Am Stand herrscht ein paar Sekunden Stille. Es beginnt ein wildes Taxieren der Bücher, die potentiell kostenlos mitgenommen werden könnten. Gerade lange genug, bis Britney Spears »My only wish for Christmas is, dass es schon vorbei is« durch den neuen Lautsprecher über ihren Köpfen brüllen kann. Diese Art von Weihnachtsstimmung verursacht mehr Kopfschmerzen, als 20 Jägermeister auf Ex in einer finnischen Sauna. 
In der Zwischenzeit hat Bernd sich wieder zu ihnen gestellt. »Meint der dit ernst?«, fragt er und guckt zweifelnd in die Runde. 
»Nein. Das war ein Witz«, erwidert der Größere und Jakob beobachtet, wie seine Hand gefährlich nah an seinem Gürtel mit der Knarre herumfummelt. Währenddessen kaut Harald seelenruhig an »Am Arsch vorbei geht auch ein Weg« herum. Eine Ecke ist schon aufgefressen und er wirkt schon merklich ruhiger. 
»Ich wollte doch nur helfen«, verteidigt sich der Kleine. »Wir können doch nicht zulassen, dass sich jeder kriminelle Berliner ein Buch einsteckt. Am Ende lesen die das noch und wenn die gebraucht sind, kann Herr Beusner die gar nicht mehr benutzen!«
»Ick komm sowieso nicht mit. Meine Frau is ja nich tot.«
»Sind sie sich sicher?«
»Ganz sicher!«
Die beiden Polizisten treten den Rückzug an. Jakob hat auf »One of us is lying« geschworen, dass seine Ehefrau wohl behalten die brandenburgische Weihnachtsluft schnuppert und nicht entführt, ermordet oder gevierteilt wurde. 
»War wohl ein Missverständnis, Herr Beusner. Das tut uns leid und … Frohe Weihnachten natürlich.«
»Kann ja mal passieren, meene Herren. Von Mord alleine stirbt man nicht, wa? Is ja nix passiert. Nehmen se sich noch ´n Schweinebratenbrötchen mit. Bernd«, ruft er zu seinem Freund rüber, »mach den Herren zwei mit Allem zum Mitnehmen. Uff meene Rechnung.« 
​
Verkaufte Bücher: 74
Zerkaute Bücher: 8
Verschenkte Schweinebratenbrötchen: 2

Fortsetzung folgt ... am 2. Advent 

Impressum
© 2020 Barbara Lah
Powered by Create your own unique website with customizable templates.
  • über mich.
    • Leserstimmen. BEN.
    • Leserstimmen. MORD.
  • Leseproben.
    • BEN.
    • Von Mord alleine stirbt man nicht.
    • EMILIA.
  • Blog.
  • Kontakt.
    • Datenschutzerklärung
    • Impressum