BARBARA LAH
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BEN - Libellen sterben nicht
Cover: 100covers4you

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KAPITEL EINS
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WASSER 

 
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Jeden Abend zieht es die Libelle auf der Suche nach einem Partner ans Wasser. Das Alter der Libelle spielt dabei keine Rolle, sie paaren sich ihr ganzes Leben lang.
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​Ben Perdue
Sonntag, 14. Januar 2018 – 5 Monate vor seinem Tod
 
Ihr Körper fühlt sich an wie warmes Wasser.
Sie taucht genügsam in den meinen ein. Fließt ohne Anstrengung.
«Ich will dich noch einmal», flüstere ich und beiße mir auf die Lippen. 
Sie hält mich in der Hand.
Ihre Finger übergießen meinen Körper mit Verlangen, was genauso schön wie schmerzhaft ist.
Sie lächelt und das wühlt mich auf. Erhitzt meine Gedanken und überflutet mühelos meine Grenzen, die unsichtbar, aber lebensnotwendig für mich sind.

​Jason Harold
Samstag, 02. Juni 2018 – 48 Tage vor Lösung des Falles
 
«Es tut mir leid, Sie zu stören, Chief», sagte der Anrufer, «aber hier liegt ein Toter.»
Ich dachte, ich wäre in Sicherheit. Abseits der unerträglichen Hitze, die seit Tagen wie eine Glocke über Austonhill lag, war ich auf das verwaiste Polizeirevier geflohen. Die Räume der Wache wirkten wie eine Oase in der Wüste. Mit unerwartet kühler Luft und dem Geruch von verschwitzten Socken. 
 
«Musst du heute wirklich aufs Revier? Wolltest du nicht den Rasen mähen?»
«Ich bin gleich wieder zurück», rief ich meiner Frau Susan von der Ausfahrt aus zu und verschwand mit unserem alten Pick-up um die Ecke. Den hatte ich Bob von nebenan vor beinahe 15 Jahren abgeluchst, aber bis auf die klemmende Fahrertür war der tipptopp in Ordnung.
Jetzt saß ich am Schreibtisch, aß trockene Kekse aus der Packung und blätterte den zwei Tage alten Austonhill Herald durch. Die Schlagzeile auf der Titelseite lautete: USA verhängt Importzölle auf Stahl und Aluminium. Endlich hatte jemand den Mut, den hochmütigen Chinesen ein paar Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Wenn dieser Präsident ausnahmsweise hielt, was er versprochen hatte, konnte aus diesem Land vielleicht wieder eine Nation mit Stolz und Ehrgefühl werden.
Und genau in diesen Glücksmoment platzte so etwas wie ein Notfall. In Austonhill! Einem Städtchen an der US-Küste, mit knapp 16.000 Einwohnern, in dem nie etwas Aufregendes passierte. 
«Ist es wirklich nötig, dass ich komme?», fragte ich sicherheitshalber nach. Ich wollte nicht wegen einer Oma, die der Schlag beim Blumengießen getroffen hatte, in die Hitze geschickt werden.
«Der Arzt will den Totenschein erst ausstellen, wenn Sie es sich angesehen haben.»
 
«Chief Harold! Gut, dass Sie da sind», begrüßte mich der Notarzt eine halbe Stunde später und streckte mir seine Hand entgegen. Als hätte ich nichts gehört, ging ich an ihm vorbei. Meine Tochter hatte diesen gutaussehenden, jungen Arzt ein paarmal zum Abendessen mitgebracht. Ein bekennender Boston Bruins Fan. Ein erwachsener Mann, der sich für Eishockey interessierte. Da war schon alles klar! 
«Was habt ihr für mich?»
«Toter im Schlafzimmer.» 
«Und?» Beiläufig blickte ich in den fraglichen Raum. «Vielleicht ist der Alte einfach bei der Hitze gestorben», warf ich hoffnungsvoll ein.
«Vielleicht, aber ich halte es für unwahrscheinlich. Kurz vor 11 Uhr erreichte uns der Notruf, aber als wir ankamen, war keiner mehr im Haus. Dafür hat jemand freundlicherweise die Tür für uns offengelassen.» 
Der Arzt packte seinen Koffer zusammen, während ich kurz überlegte, ihn noch einmal zum Essen einzuladen. Ein Doktor als Schwiegersohn würde mir gefallen. Auf jeden Fall ein besserer Einfluss, als diese ständigen Verlierer, die meine Tochter in letzter Zeit angeschleppt hatte.
Noch in Gedanken streifte ich in dem beengten Schlafzimmer umher, und mein Blick fiel auf die Fotos des Toten. Irgendwie kam mir der Typ bekannt vor. 
Nein, ich kannte den Toten!
 
Es musste mindestens 14 Jahre her sein, dass meine Frau mich zu diesem Psychologen geschleppt hatte. «Wir brauchen Hilfe, Jason», offenbarte sie mir auf dem Weg dorthin mit düsterer Stimme.
«Hilfe wobei?»
«Um uns wieder als Paar zu fühlen.»
Ich beobachtete Susan verächtlich aus den Augenwinkeln. Sie starrte stur geradeaus und versuchte, den Gang einzulegen. Viel zu hart und eindeutig zu langsam. Der Wagen heulte auf. 
«Wenn wir hin und wieder mal …»
«Wirklich? Damit kommst du jetzt, Jason?», beendete sie vorzeitig meinen Satz. 
Ich sah keine Möglichkeit, ihren Entschluss umzustoßen. Susan wollte eine Paartherapie machen, um unserer Ehe neuen Schwung zu verleihen! Von außen suggerierte Unzufriedenheit hatte in mein behagliches Heim Einzug gehalten und meine Frau bestand darauf, daran zu arbeiten.
Wir mussten dieselbe abgelegene Küstenstraße genommen haben, die ich gerade entlang gefahren war. Dort angekommen, wies uns der Psycho Doktor zwei Plätze auf einer durchgesessenen Couch zu, die in einer miefigen Praxis stand. Alles erinnerte mich an das abbruchreife Haus meiner Schwiegermutter in Alabama. Es roch sogar genauso! Ich hätte es jedoch vorgezogen, bei der alten Hexe Sahnetorte serviert zu bekommen, als von dem Typen über mein Sexleben ausgefragt zu werden. Zu meinem Erstaunen musste ich nur eine einzige, ergebnislose Sitzung über mich ergehen lassen und ich hatte nicht gefragt warum.
Kurz darauf schleppte mich Susan donnerstags zum Kegeln. Vielleicht gab dieses neue Hobby ihr die Illusion von Schwung in unsere Beziehung. Mir war es egal. Kegeln war okay. Immerhin gab es dort Bier.
 
Jetzt lag der Psycho-Fritze, umringt von einer Menge altmodischer Kissen, tot auf seinem Bett. Seine Augen waren geschlossen, aber er wirkte weniger friedlich, als verärgert. 
Konnte ein Mann im Tod noch genervt von den Lebenden sein? 
Das Schlafzimmer war dunkel und vollgestopft und egal wohin ich schaute, überall stapelten sich Bücher und noch mehr Bücher. Dazu sinnlose, in die Ecken gestopfte Andenken und Papierberge. Rechts entdeckte ich auf einem niedrigen Glastisch eine gut sortierte Bar mit fast nur leeren Flaschen.
«Hat jemand einen Namen für mich?»
«Perdue, Doktor Ben Perdue – steht draußen auf dem Schild. Ein Psychologe», antwortete der Arzt.
Der Psycho Doktor kam mir schon damals nicht ganz frisch vor. Ziemlich übergewichtig. Eigentlich, gestand ich mir genervt ein, sah er ein bisschen aus wie ich. 
«Wenn ihr fertig seid, schließe ich ab. Der Typ scheint ein perfekter Kandidat für einen Herzinfarkt zu sein. Macht euch besser keine Hoffnungen.»
Tonlos zog der Arzt seine schmächtigen Schultern nach oben.
«Falls tatsächlich etwas anderes dahintersteckt, komme ich mit den Jungs später zurück. Ich denke, die Putzfrau hat schlichtweg einen Schreck bekommen und ist auf und davon, bevor ihr aufgekreuzt seid. Ihr habt wahrscheinlich zu lange gebraucht.»
Zum Glück hatte sie überhaupt angerufen. Bei dieser Hitze wäre aus Ben Perdue ganz schnell eine ziemliche Sauerei geworden. 
Der tote Doktor wurde eingepackt und ich wollte diese überhitzten Räume auch so schnell wie möglich verlassen, musste aber zuerst den Hausschlüssel und das Telefon des Herrn Perdue finden. Ich entdeckte beides neben seinem Bett und während ich hinausging, blätterte ich durch sein Handy. 
Als ich die Nachrichten App öffnete, blinkten mir nur drei SMS entgegen. Zwei der Nachrichten stammten von seinen Töchtern, Natalie und Theresa, doch bei der Dritten wurde mir sehr schnell klar, dass es sich keineswegs um ein Familienmitglied handelte. Den Schlüssel noch im Schloss ließ ich mich auf die Treppe vor dem Haus sinken und überflog einige Nachrichten.
 
Mittwoch, 03. Januar 2018
Ben: Lass die Augen geschlossen. Öffne nur deine Schenkel. 10:33
E*: Das tue ich. Für dich! 10:35
Ben: Sag kein Wort! Ich möchte mich in deiner Mitte festsaugen. Nur für einen Augenblick. 10:37
 
Dieser alte Sack! Der war locker noch ein paar Jahre älter als ich. Sicher über 60 Jahre alt. Wer würde dem faltigen Kerl solche Sachen schreiben? 
Das war ekelhaft!
Ich wollte diese Frau nicht anrufen müssen, dachte ich, während ich die Tür abschloss und in den brütend heißen Pick-up stieg. Zumindest konnte ich die Gelegenheit nutzen, um unterwegs ein paar Donuts zu besorgen.
 
An diesem Nachmittag fing alles an. 

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